Verbraucherschützer warnen vor gläsernem Bürger – Florierender Datenhandel
Die Schufa kennt fast jeden. Wer ein Konto eröffnet, etwas per Katalog auf Rechnung bestellt oder einen Handyvertrag unterschreibt, wird so gut wie immer von der "Schutzgemeinschaft für allgemeine Kreditsicherung" erfaßt. Das Wiesbadener Unternehmen hat persönliche Daten von mehr als 62 Millionen Deutschen gesammelt. Ob Zahlungsrückstände, geplatzte Verträge, laufende oder getilgte Kredite – die Schufa erfährt es. In ihren Computern hat sie über 360 Millionen Daten gespeichert. Die Wiesbadener bekommen ihre Informationen von den öffentlichen Schuldnerverzeichnissen der Amtsgerichte. Viel wichtiger aber ist der Datenhandel mit ihren rund 4500 Vertragspartnern – vor allem Banken und Sparkassen, aber auch Inkassounternehmen, Versandhändlern, Wohnungs- und Immobiliengesellschaften oder Telekommunikationsanbietern. Der Verbraucher erlaubt ihnen mit seiner Unterschrift unter die so genannte Schufa-Klausel die Weitergabe seiner Daten. Meistens ist dieser Passus Teil der Allgemeinen Geschäftsbedingungen von Otto und Co. Und oft genug bleiben eben diese AGB unbeachtet.
Die Unternehmen können bei der Schufa die gespeicherten Informationen gegen Bezahlung abfragen. Innerhalb weniger Sekunden hat so etwa die Bank einen Überblick über die Kreditwürdigkeit des Kunden. Doch jedes Unternehmen erfährt nur das, was es wissen muß: die Bank zum Beispiel die Zahl der Girokonten, Kreditkarten und , aber auch Einträge über Zahlungsrückstände. Vermieter bekommen erheblich weniger zu sehen. Sie werden nur über Schulden informiert.
Aus den gespeicherten Daten erarbeitet die Schufa außerdem eine Prognose: Mit welcher Wahrscheinlichkeit wird ein Kunde zahlen oder nicht? Der Scorewert ist das Herzstück der Schufa-Auskunft. Aus ihrem gesamten Datenbestand suchen die Wiesbadener Personen heraus, die die gleichen Merkmale haben wie der Kunde, über den ein Score erstellt werden soll. Solche Merkmale sind etwa die Zahl der Girokonten oder Kreditkarten, Alter und Geschlecht, nicht aber das Einkommen oder Sparvermögen. Aus diesem Datensatz errechnet die Schufa einen Wert für die Kreditwürdigkeit. Er wird zusammen mit den Rohdaten des Kunden an das anfragende Unternehmen weitergeleitet.
Wie die Rechenformel für den Score genau aussieht, ist geheim. Die Schufa hütet sie wie der Coca-Cola-Konzern sein Brauserezept. Sicher ist nur, daß der Score des Einzelnen davon abhängt, wie seriös das Geschäftsgebaren anderer Personen in der Vergangenheit war. Entsprechend kritisch äußern sich die Verbraucherschützer: "Dieses statistische Verfahren wird nie ein Abbild der Zahlungsfähigkeit des Einzelnen geben", so Helga Springeneer, Juristin des Bundesverbandes der Verbraucherzentralen.
Der Verbraucher kann seinen Wert zwar sperren lassen. Allerdings rät Springeneer davon ab: "Das bringt eher Nachteile." An Personen ohne Score würden Versandhändler nur gegen Bares verkaufen, und Ratenzahlungen seien dann nicht möglich.
Vielmehr empfiehlt sie dem Verbraucher, sich bei der Schufa eine sogenannte Eigenauskunft zu besorgen, besonders bevor er mit seiner Bank über einen Kredit verhandelt. Denn es kann sein, daß falsche oder veraltete Daten im Computer stehen. In der Regel löscht die Schufa Einträge über zurückgezahlte Schulden nach drei Jahren und Girokonten sofort nach deren Auflösung. Wenn das aber mal nicht geschehen ist oder wenn ein Unternehmen falsche Daten gemeldet hat, können diese geändert oder ganz gelöscht werden.
Sorge bereitet derzeit den Datenschützern eine ganz andere Entwicklung: Seit Anfang des Jahres arbeiten auch Versicherer mit der Schufa zusammen. Bisher können sie nur gerichtlich gemahnte Schulden aus der Kfz-Haftpflichtversicherung melden. Allerdings laufen derzeit Gespräche, ob die Schufa solche Forderungen auch aus anderen Versicherungsverträgen speichern kann. "Die Versicherer haben dazu kein Recht", meint Günther Sreball, stellvertretender Dezernatsleiter der Datenschutzbehörde in Darmstadt. "Wo ist denn überhaupt das Risiko für die Unternehmen?" Ein Versicherer könne den Vertrag schließlich kündigen, wenn der Kunde nicht zahlt. "Ich kann nicht jedes unternehmerische Risiko ausschalten, indem ich über die Schufa den gläsernen Bürger schaffe."
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