Die Zeit für die jahrelangen zähen Verhandlungen zwischen der EU und Großbritannien läuft ab. Ende des Jahres wird Großbritannien nicht länger Teil des EU-Binnenmarktes sein. Noch ist allerdings nicht klar, ob es bis dahin gelingen wird, ein beiderseitiges Handelsabkommen abzuschließen. Jüngst hatte Premier Boris Johnson abermals mit einem harten No-Deal-Brexit gedroht. Dennoch betonten beide Seiten kurze Zeit später, das Tempo bei den Verhandlungen nochmals zu erhöhen.
Die Frist, welche Boris Johnson zuletzt für eine Einigung gesetzt hatte, ist bereits am 15. Oktober verstrichen. Bisher gibt es jedoch auf beiden Seiten nach wie vor zahlreiche ungeklärte Fragen. Boris Johnson hatte der EU daraufhin vorgeworfen, nicht wirklich an einer Einigung interessiert zu sein. Gleichzeitig forderte er die britischen Unternehmen auf, sich auf einen harten Brexit ohne Handelsabkommen vorzubereiten.
Auf britische Unternehmen könnten zusätzliche Belastungen zukommen
Für viele britische Unternehmen dürfte diese Nachricht zur Unzeit kommen. Die britische Handelskammer (BCC) äußerte daher prompt Kritik am Verhalten der Regierung. Laut BCC trage sie die Schuld an der bisher mangelhaften Vorbereitung zahlreicher Unternehmen mit Blick auf einen möglichen No-Deal-Brexit.
Adam Marshall, Generaldirektor des BCC beklagte, dass große Teile der Wirtschaft derzeit wegen der zahlreichen Beschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie bereits in erhebliche Schwierigkeiten geraten seien. In einer solchen Phase seien es viele Unternehmen schlicht Leid, mit immer neuen Fristen und Hindernissen im Zusammenhang mit dem Brexit konfrontiert zu werden.
Verhandlungen gehen weiter
Trotz der erneuten Drohung von Boris Johnson beteuerten beide Seiten wenig später, dass sie nach wie vor zu weiteren Verhandlungen bereit seien. Verlautbarungen zufolge beabsichtigen die Unterhändler nun sogar, das Verhandlungstempo nochmals zu erhöhen. In diesem Zuge sollen auch konkrete Arbeiten an Rechtstexten geplant sein. EU-Verhandlungsführer Michel Barnier twitterte, er stehe auch weiterhin für direkte Gespräche in London zur Verfügung. Zuletzt fanden die Verhandlungen zwischen Barnier und seinem britischen Pendant David Frost nur telefonisch statt, da bei direkten Gesprächen kaum Fortschritte erzielt worden waren. Barnier ist seit 2016 der Beauftragte der EU-Kommission für die Brexit-Verhandlungen mit Großbritannien.
Ad-hoc-Lösung als Alternative zu einem No-Deal-Brexit?
Das Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW) geht derweil trotz der sich verschärfenden Rhetorik aus London nicht davon aus, dass es am Ende zu einem Brexit ohne eine Form von Handelsabkommen kommen werde. Grund dafür sei schlicht die Tatsache, dass nur wenige britische Firmen ausreichend auf ein solches Szenario vorbereitet seien. Ohne ein solches Abkommen würden ab Januar 2021 Zölle auf beiden Seiten des Ärmelkanals in Kraft treten. Aus diesem Grund gehen die Forscher davon aus, dass es trotz weiter stockender Verhandlungen am Ende auf eine Ad-hoc-Lösung hinauslaufen könnte.