Trotz sich teilweise verbessernder Indikatoren warnte die EZB-Präsidentin Christie Lagarde jüngst vor voreiligem Optimismus im Hinblick auf eine schnelle wirtschaftliche Erholung. Es gebe nach wie vor eine Reihe substanzieller Risiken. In eine ähnliche Kerbe schlägt das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK). Demnach ist der vom Institut entwickelte Indikator für das Rezessionsrisiko im Oktober spürbar angestiegen. Insgesamt wird das Risiko jedoch noch als relativ gering bewertet.
Im Zuge einer virtuellen Beratung des Internationalen Währungs- und Finanzausschusses (IMFC) am Donnerstag gab Lagarde bekannt, dass die wirtschaftlichen Indikatoren einen stärkeren Aufschwung im dritten Quartal anzeigen würden. Zugleich verwies sie jedoch darauf, dass diese Erholung nicht gleichmäßig stattfinde. Es gebe starke Unterschiede hinsichtlich Sektoren und Regionen. Die weitere wirtschaftliche Erholung hänge demnach auch in entscheidendem Maße davon ab, wie sich die Pandemie in den kommenden Monaten auf Konsum und Investitionsentscheidungen auswirken werde.
Negative Inflation bereitet weiterhin Sorge
Laut Lagarde wird die Inflation im Euroraum auch in den kommenden Monaten weiterhin auf einem negativen Niveau verharren. In den letzten 12 Monaten waren die Verbraucherpreise im Durchschnitt um 0,3 Prozent gesunken. Es handelt sich hierbei um die niedrigste Rate seit vier Jahren. Die EZB erachtet normalerweise eine Inflation von zwei Prozent als ideal. Gemäß der Theorie könnte eine negative Inflation dazu führen, dass Verbraucher wichtige Ausgaben in der Hoffnung auf weiter sinkende Preise aufschieben. Diese Zurückhaltung könnte sich jedoch negativ auf die Nachfrage auswirken und daher eine Bedrohung für die wirtschaftliche Erholung darstellen. Mit einer positiven Inflation wird derweil erst Anfang nächsten Jahres gerechnet.
Als positiv bewertete Lagarde, dass sich der Finanzsektor im Euroraum bisher als durchaus widerstandsfähig erwiesen habe. Nach wie vor gebe es jedoch erhebliche Finanzstabilitätsrisiken. Besonders die noch immer schwachen Gewinnzahlen sowie die steigende Verschuldung in vielen Sektoren der Realwirtschaft bereiten Experten aktuell Sorgen. Die Notenbankchefin erklärte sich daher bereit, im Notfall die Instrumente der EZB anzupassen, falls dies in den kommenden Monaten erforderlich werden sollte, um die aufkeimende wirtschaftliche Erholung zu unterstützen.
IMK sieht Gefahr für wirtschaftliche Erholung steigen
Das gewerkschaftsnahe Institut IMK warnte jüngst ebenfalls vor der Annahme, dass die wirtschaftliche Erholung von nun an ein Selbstläufer sei. Laut dem vom Institut entwickelten Indikator ist die Gefahr einer Rezession im August auf 12,6 Prozent angestiegen. Im September lag dieser Wert noch bei zwei Prozent. Als Grund nannte das Institut eine geringfügige Eintrübung der Finanzmarktindikatoren sowie einen leichten Produktionsrückgang im verarbeitenden Gewerbe. Auch die IMK-Experten kommen zu dem Schluss, dass die bisherige Erholung uneinheitlich verlaufe. Die Krise sei noch längst nicht vorbei.